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Sie kriechen, fliegen, krabbeln, beissen. Die Insekten. Das revidierte Schweizer Lebensmittelgesetz lässt seit 1. Mai 2017 drei Insektenarten zu. Insekten als Nahrungsquelle sind in Europa neu. Unsere Essensgewohnheiten, das kulturelle Konstrukt, soll überdacht werden.
Ist das Essen der Insekten die Lösung des weltweiten Ernährungsproblems oder ist es nur ein weiterer Trend?

Denise Ferrarese von GastroSuisse zeigt die Fakten, die Insektenproduktion in der Schweiz bis hin zur Nutzung in der Gastronomie.


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Gemäss der Uno-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft werden im Jahr 2050 rund neun Milliarden Menschen auf der Erde leben. Gemäss der Food and Agriculture Organization (FAO) war dieser Bericht der Auslöser für die Gesetzesänderung in der Schweiz. Die konventionelle Landwirtschaft wird nicht mehr in der Lage sein, genügend Fleisch für unseren Verbrauch zu produzieren.

Somit wächst auch das Interesse an alternativen Proteinquellen. Der Konsum der Sechsbeiner ist dem der Vierbeiner vor allem im ökologischen Aspekt weit voraus. Insekten brauchen im Vergleich weniger Futter, Wasser und Platz. Der Verzehr von Insekten könnte daher einen wichtigen Beitrag zur Ernährungssicherheit leisten.

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69% Proteine
18% Fette
0% Kohlenhydrate

Reproduktionszyklen: 4 Wochen
Geschmacksrichtung: Popcorn

In der Natur ist das Heimchen in Afrika und Südwestasien anzutreffen, in Europa in der Nähe von menschlichen Siedlungen. Sie benötigen deren Wärme, um den Winter zu überleben. Heimchen sind lichtscheu und nachtaktiv. Tagsüber verstecken sie sich, sind aber gelegentlich auch im Schatten aktiv.

Paarungsbereite Männchen zirpen ab der Dämmerung bis in die Nacht hinein. Weibchen legen alle paar Tage über 1000 Eier ab. 3000 Heimchen ergeben ca. ein Kilo Nahrung.

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45 % Proteine
37 % Fette
5 % Kohlenhydrate

Reproduktionszyklus: 12 Wochen
Geschmacksrichtung: nussiges Aroma

Der Mehlwurm ist die Larve des Mehlkäfers und somit eigentlich kein Wurm. Nach der Verpuppung ist der Mehlwurm ein Mehlkäfer. Der Konsum des Mehlwurms ist in Asien schon lange Normalität. Das Insekt ist weltweit in Baumrinden verbreitet und – wie der Name verrät – in feucht gehaltenen Mehlsäcken. Der Mehlwurm ist preiswert und einfach zu züchten. Ein Weibchen produziert ca. 160 Eier in ihrem dreimonatigen Leben.

Mehlwürmer können über Wochen ohne Nahrung überstehen. Bei Futtermangel kann es zu Kannibalismus kommen.

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48 % Proteine
38 % Fette
1 % Kohlenhydrate

Geschmacksrichtung: knusprig, Pouletgeschmack
Reproduktionszyklen: 6 Wochen

Seit Jahrhunderten ist die Heuschrecke in Europa ein gefürchteter Schädling in der Landwirtschaft. Sie ist in allen Ländern des Mittelmeerraumes anzutreffen. Die Heuschrecke ist seitens der Zucht das teuerste Insekt in Europa.

Das ausgewachsene Tier wiegt bis zu drei Gramm. Bei den Wanderheuschrecken werden für den Konsum normalerweise die Flügel und Beine entfernt. Um den Zubereitungsaufwand kleinzuhalten, lohnt es sich, jüngere Insekten zu beziehen. Diese können als Ganzes konsumiert werden.

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Laut der Uno-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft FAO essen 2,5 Milliarden Menschen in 140 Ländern in Lateinamerika, Asien und Afrika regelmässig Insekten – nicht aus Not, sondern weil ihnen die Insekten schmecken.

1900 Insekten sind als essbar notiert, und die Liste wird laufend erweitert. Die am häufigsten verzehrten Insekten sind Käfer (31 Prozent), gefolgt von Raupen (18 Prozent) und Bienen, Wespen und Ameisen (14 Prozent).
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Insekten haben in Europa ein Imageproblem, da sie als Schädlinge wahrgenommen werden, die unsere Nahrung befallen und verderben lassen. Insekten erzeugen bei vielen Europäern und Nordamerikanern daher ein Ekelgefühl.

Im 19. Jahrhundert war das Essen von Maikäfern auch in der Schweiz verbreitet. Alte Rezepte zeigen auf, dass man damals 30 bis 40 Maikäfer pro Portion für eine Suppe verwendete. Fleisch war während Not- und Kriegszeiten teuer oder kaum verfügbar. Insekten waren einfach auffindbar, sei es im Wald oder auf dem Feld. Als der Wohlstand in Europa wieder stieg, verschwand das Insekt vom Speiseplan des Europäers.

Ein Stück Fleisch lässt uns kaum mehr erahnen, welches Tier wir essen, wie es gehalten und getötet wurde. Insekten werden jedoch häufig komplett verzehrt. Wir werden dabei an das Tier, das Lebewesen erinnert – was bei vielen Hemmungen und Ekel auslöst.

Deshalb wäre es einfacher, die Proteine zu extrahieren und die Tiere in verarbeiteter Mehlsubstanz anzubieten. Wir lernen früh, dass Insekten Schädlinge sind und als Ungeziefer gelten. Diese Denkmuster werden nun durchbrochen.

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Aus 2,1 Kilogramm Futter wird 1 Kilogramm Insekten produziert. Für die gleiche Menge Rindfleisch sind 25 Kilogramm Futter notwendig.

80 Prozent eines Insekts sind essbar. Gemäss FAO sind es beim Rind weniger als die Hälfte.

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Insekten können aus ernährungswissenschaftlicher Sicht einen Beitrag leisten für globale Ernährungssicherung. Viele Insekten sind gute alternative Proteinquellen zu den herkömmlichen Nahrungsmitteln und liefern wichtige Mikronährstoffe.

Die Nährwerte sollten jedoch immer mit Vorbehalt betrachtet werden, da sie bei Insekten enormen Schwankungen unterliegen.
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Im Bereich der Lebensmittelsicherheit gilt der Grundsatz, dass nur Lebensmittel in Umlauf gebracht werden dürfen, die sicher sind.

«Das BLV hat überprüft, ob die nun zugelassenen Insekten bei Verzehr ein Gesundheitsrisiko darstellen könnten. Dabei hat man sich auf internationale Publikationen sowie Erfahrungen aus Belgien und Holland gestützt», sagt Mark Stauber, Msc ETH Food Sc vom BLV.

Eine Risikobewertung der BLV der drei Insektenarten Mehlwürmer, Heimchen und Wanderheuschrecken hat den aktuellen Wissensstand und die Punkte aufgezeigt, die bei der Produktion von Insekten zu berücksichtigen sind.
Grundsätzlich müssen die Insekten nach den geltenden Lebensmittelsicherheitsstandards produziert werden. Die verantwortliche Person eines Lebensmittelbetriebes hat im Rahmen ihrer Tätigkeit auf allen Herstellungs-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen dafür zu sorgen, dass die gesetzlichen Anforderungen an Lebensmittel eingehalten werden.

Die Insekten müssen vor der Abgabe tiefgefroren und einer Hitzebehandlung oder einem anderen geeigneten Verfahren unterzogen werden, welches das Abtöten vegetativer Keime gewährleistet.

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Kühe produzieren durch ihre Verdauung 25,4 % CO2. Weitere 35,2 % fallen durch Brandrodung für Futterplantagen und Weiden an und ein weiterer Drittel durch den Dünger für das Futter.

Weltweit produziert die Nutztierhaltung mehr Klimagase als alle Transportmittel zusammen.




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Gemäss Schweizer Lebensmittelgesetz müssen Insekten während dreier Generationen unter strengen Bedingungen gezüchtet werden. Erst die 4. Generation darf für den Verzehr an Menschen verkauft werden.

Diese Massnahmen gelten, wenn die erste Generation aus Futterinsekten bestand.Sind die Essinsekten einmal von Kot und Nährmedium befreit, werden sie in einer Tiefkühltruhe getötet. Die Tiere fahren dabei ihren Stoffwechsel herunter und sterben innerhalb von wenigen Minuten. Danach werden sie erhitzt, um mögliche Keime abzutöten, nachträglich auf minus 18 Grad schockgefroren und später nochmals erhitzt.

Das Einfrieren ist die bevorzugte Tötungsart. Insekten sind wechselwarme Tiere und passen sich darum der Temperatur an. Ein zu kurzes Schockgefrieren würde das Tier lediglich in eine Art Winterschlaf versetzen. Um den Tötungsprozess abzuschliessen, wird ein Einfrieren von 48 Stunden verlangt.

Die Mehlwürmer werden im Stadion der Larve, also kurz vor der Verpuppung, schockgefroren. Der Verpuppungsprozess benötigt viel Energie, deshalb sind sie in diesem Zyklusstadium mit den meisten Nährwerten versehen.

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Die Firma Entomos im luzernischen Grossdietwil ist auf den Vertrieb von Lebendtierfutter für Heimtiere wie Reptilien, Vögel oder Fische spezialisiert. Neu ist, dass Entomos auch Insekten für den menschlichen Verzehr produziert.

Als erste Schweizer Firma verfügt sie seit dem 7. Juli über die Bewilligung zur Herstellung von Lebensmittel-Insekten.
Seit September 2017 verkauft Entomos Insekten als Nahrungsmittel.

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Urs Fanger, Biotechnologie-Ingenieur und Betriebswirt, ist Geschäftsführer der Firma Entomos.

«Wir sind im September 2017 in die rund 1000m2 grossen Räume umgezogen. Das sind sehr anspruchsvolle Räume vom Bau her, da man das Klima und die Hygienebedingungen sicherstellen muss. Wir haben viel Zeit und Geld investiert und füllen die neuen Räume nun mit unseren weissen Boxen für die Züchtigung der Insekten.»

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Sind die Insekten erntereif, werden zwischen 80 und 90 Prozent für den Verkauf abgeschöpft. Die restlichen verbleiben zwecks Vermehrung in der Zucht. Nur die gesunden Tiere werden für die weiteren Generationen verwendet.

«Wie gesund das Tier ist, ist festzustellen an Beweglichkeit, Farbe und Grösse.»
Urs Fanger,  Biotechnologie-Ingenieur und Betriebswirt  

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Interview U. Fanger: Zucht und Inzucht

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Mehlwürmer mögen es gerne warm, dunkel und eher feucht. Die Räume werden unterstützend durch Bodenheizung auf 30 Grad erhitzt.

Aus Kostengründen züchtet Entomos nur Mehlwürmer und Heimchen. Heuschrecken sind kostspieliger und auch sonst bedingen sie mehr Ressourcen.

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Interview U. Fanger: Vom Ei bis zum Mehlkäfer

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Interview U. Fanger: Prognose

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Interview U. Fanger: Das Potenzial der Gastronomie

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Daniel Bisten ist im Gasthof Engel Hüswil im Kanton Luzern gross geworden und führt ihn in der 4. Generation. Nach absolvierter Kochlehre im Landgasthof Sonne arbeitete er in Hawaii, Peking und Jakarta. In Indonesien lernte er seine heutige Lebensgefährtin Mila kennen. Seit 1997 verbindet Daniel Bisten die typisch schweizerische Küche mit original indonesischer Küche – dazu gehören auch Insekten.

«Insekten sind hochwertige Proteinlieferanten, welche mit geringen Ressourcen gezüchtet werden können. Darum müssen wir den Insekten auch in der westlichen Welt eine Chance geben.»

Daniel Bisten, Koch und Geschäftsführer
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Lieblingsessen: Asiatisch im Allgemeinen

Lieblingsinsekt: Mehlwurm

Mein Beruf bedeutet mir: Mit Kreativität, den Gast zum Staunen bringen
 
Erste Erfahrung mit Insekten auf dem Teller: Für mich war das kein Problem, aber die Gäste, die ich zum Probieren aufforderte, brauchten schon Überwindung.

Fleisch bedeutet für mich: Genuss und Freude bei der Verarbeitung

Insekten bedeuten für mich: Das Essen der Zukunft

Mein besonderes Erlebnis mit Insekten: 1994 war ich auf einem Nachtmarkt in Bangkok. Die Auswahl der Insekten war vielfältig und frisch

Asien und Afrika ist uns weit voraus, weil … sie zum Teil keine anderen Proteinquellen haben und somit Insekten essen

Dem Schweizer empfehle ich, ... offen zu sein und Insekten zu probieren. Die meisten Insekten werden bei uns in Produkten verarbeitet auf den Markt kommen.

In fünf Jahren essen wir im Gasthof Engel … Das Angebot wird sich nicht gross ändern, da die herkömmlichen Proteinquellen immer noch vorhanden sein werden.











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Bisten pröbelte ein gutes Jahr, bis er die richtige Konsistenz der Chips erreichte.
In siedendem Öl werden sie innert weniger Sekunden auf das Mehrfache ihrer Grösse aufgehen.

Die Chips, originalgetreu aus Shrimps und Gewürzen, stammen aus Indonesien.
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Interview D. Bisten: Pionierarbeit

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Konzept: Denise Ferrarese
Grafik: Miriam Schlegel
Foto, Video, Schnitt und Text: Denise Ferrarese


© GastroJournal GastroSuisse
Blumenfeldstrasse 20, 8046 Zürich
Kontakt: denise.ferrarese@gastrosuisse.ch

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