InsektenDas Essen der Zukunft?
Ist das Essen der Insekten die Lösung des weltweiten Ernährungsproblems oder ist es nur ein weiterer Trend?
Denise Ferrarese von GastroSuisse zeigt die Fakten, die Insektenproduktion in der Schweiz bis hin zur Nutzung in der Gastronomie.
Das Nahrungsmittel: Insekten im ÜberblickKapitel 1
Somit wächst auch das Interesse an alternativen Proteinquellen. Der Konsum der Sechsbeiner ist dem der Vierbeiner vor allem im ökologischen Aspekt weit voraus. Insekten brauchen im Vergleich weniger Futter, Wasser und Platz. Der Verzehr von Insekten könnte daher einen wichtigen Beitrag zur Ernährungssicherheit leisten.
Grille/Heimchen (Acheta domesticus, lateinisch für Sänger)
18% Fette
0% Kohlenhydrate
Reproduktionszyklen: 4 Wochen
Geschmacksrichtung: Popcorn
In der Natur ist das Heimchen in Afrika und Südwestasien anzutreffen, in Europa in der Nähe von menschlichen Siedlungen. Sie benötigen deren Wärme, um den Winter zu überleben. Heimchen sind lichtscheu und nachtaktiv. Tagsüber verstecken sie sich, sind aber gelegentlich auch im Schatten aktiv.
Paarungsbereite Männchen zirpen ab der Dämmerung bis in die Nacht hinein. Weibchen legen alle paar Tage über 1000 Eier ab. 3000 Heimchen ergeben ca. ein Kilo Nahrung.
Mehlwürmer (Tenebrio molitor)
37 % Fette
5 % Kohlenhydrate
Reproduktionszyklus: 12 Wochen
Geschmacksrichtung: nussiges Aroma
Der Mehlwurm ist die Larve des Mehlkäfers und somit eigentlich kein Wurm. Nach der Verpuppung ist der Mehlwurm ein Mehlkäfer. Der Konsum des Mehlwurms ist in Asien schon lange Normalität. Das Insekt ist weltweit in Baumrinden verbreitet und – wie der Name verrät – in feucht gehaltenen Mehlsäcken. Der Mehlwurm ist preiswert und einfach zu züchten. Ein Weibchen produziert ca. 160 Eier in ihrem dreimonatigen Leben.
Mehlwürmer können über Wochen ohne Nahrung überstehen. Bei Futtermangel kann es zu Kannibalismus kommen.
Europäische Wanderheuschrecken(Locusta migratoria)
38 % Fette
1 % Kohlenhydrate
Geschmacksrichtung: knusprig, Pouletgeschmack
Reproduktionszyklen: 6 Wochen
Seit Jahrhunderten ist die Heuschrecke in Europa ein gefürchteter Schädling in der Landwirtschaft. Sie ist in allen Ländern des Mittelmeerraumes anzutreffen. Die Heuschrecke ist seitens der Zucht das teuerste Insekt in Europa.
Das ausgewachsene Tier wiegt bis zu drei Gramm. Bei den Wanderheuschrecken werden für den Konsum normalerweise die Flügel und Beine entfernt. Um den Zubereitungsaufwand kleinzuhalten, lohnt es sich, jüngere Insekten zu beziehen. Diese können als Ganzes konsumiert werden.
Insekten und ihr ImageproblemDer Ekelfaktor
Im 19. Jahrhundert war das Essen von Maikäfern auch in der Schweiz verbreitet. Alte Rezepte zeigen auf, dass man damals 30 bis 40 Maikäfer pro Portion für eine Suppe verwendete. Fleisch war während Not- und Kriegszeiten teuer oder kaum verfügbar. Insekten waren einfach auffindbar, sei es im Wald oder auf dem Feld. Als der Wohlstand in Europa wieder stieg, verschwand das Insekt vom Speiseplan des Europäers.
Ein Stück Fleisch lässt uns kaum mehr erahnen, welches Tier wir essen, wie es gehalten und getötet wurde. Insekten werden jedoch häufig komplett verzehrt. Wir werden dabei an das Tier, das Lebewesen erinnert – was bei vielen Hemmungen und Ekel auslöst.
Deshalb wäre es einfacher, die Proteine zu extrahieren und die Tiere in verarbeiteter Mehlsubstanz anzubieten. Wir lernen früh, dass Insekten Schädlinge sind und als Ungeziefer gelten. Diese Denkmuster werden nun durchbrochen.
Hygiene und SicherheitRichtlinien des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit (BLV)
«Das BLV hat überprüft, ob die nun zugelassenen Insekten bei Verzehr ein Gesundheitsrisiko darstellen könnten. Dabei hat man sich auf internationale Publikationen sowie Erfahrungen aus Belgien und Holland gestützt», sagt Mark Stauber, Msc ETH Food Sc vom BLV.
Eine Risikobewertung der BLV der drei Insektenarten Mehlwürmer, Heimchen und Wanderheuschrecken hat den aktuellen Wissensstand und die Punkte aufgezeigt, die bei der Produktion von Insekten zu berücksichtigen sind.
Grundsätzlich müssen die Insekten nach den geltenden Lebensmittelsicherheitsstandards produziert werden. Die verantwortliche Person eines Lebensmittelbetriebes hat im Rahmen ihrer Tätigkeit auf allen Herstellungs-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen dafür zu sorgen, dass die gesetzlichen Anforderungen an Lebensmittel eingehalten werden.
Die Insekten müssen vor der Abgabe tiefgefroren und einer Hitzebehandlung oder einem anderen geeigneten Verfahren unterzogen werden, welches das Abtöten vegetativer Keime gewährleistet.
Kapitel 2Die Firma Entomos
Als erste Schweizer Firma verfügt sie seit dem 7. Juli über die Bewilligung zur Herstellung von Lebensmittel-Insekten.
Seit September 2017 verkauft Entomos Insekten als Nahrungsmittel.
Der Hersteller
«Wir sind im September 2017 in die rund 1000m2 grossen Räume umgezogen. Das sind sehr anspruchsvolle Räume vom Bau her, da man das Klima und die Hygienebedingungen sicherstellen muss. Wir haben viel Zeit und Geld investiert und füllen die neuen Räume nun mit unseren weissen Boxen für die Züchtigung der Insekten.»
Herausforderungen
«Wie gesund das Tier ist, ist festzustellen an Beweglichkeit, Farbe und Grösse.»
Urs Fanger, Biotechnologie-Ingenieur und Betriebswirt
Interview U. Fanger: Zucht und Inzucht
Klima und Produktion
Aus Kostengründen züchtet Entomos nur Mehlwürmer und Heimchen. Heuschrecken sind kostspieliger und auch sonst bedingen sie mehr Ressourcen.
Interview U. Fanger: Vom Ei bis zum Mehlkäfer
Interview U. Fanger: Prognose
Sicht des Gastronomen
«Insekten sind hochwertige Proteinlieferanten, welche mit geringen Ressourcen gezüchtet werden können. Darum müssen wir den Insekten auch in der westlichen Welt eine Chance geben.»
Daniel Bisten, Koch und Geschäftsführer
Daniel BistenGasthof Engel
Lieblingsinsekt: Mehlwurm
Mein Beruf bedeutet mir: Mit Kreativität, den Gast zum Staunen bringen
Erste Erfahrung mit Insekten auf dem Teller: Für mich war das kein Problem, aber die Gäste, die ich zum Probieren aufforderte, brauchten schon Überwindung.
Fleisch bedeutet für mich: Genuss und Freude bei der Verarbeitung
Insekten bedeuten für mich: Das Essen der Zukunft
Mein besonderes Erlebnis mit Insekten: 1994 war ich auf einem Nachtmarkt in Bangkok. Die Auswahl der Insekten war vielfältig und frisch
Asien und Afrika ist uns weit voraus, weil … sie zum Teil keine anderen Proteinquellen haben und somit Insekten essen
Dem Schweizer empfehle ich, ... offen zu sein und Insekten zu probieren. Die meisten Insekten werden bei uns in Produkten verarbeitet auf den Markt kommen.
In fünf Jahren essen wir im Gasthof Engel … Das Angebot wird sich nicht gross ändern, da die herkömmlichen Proteinquellen immer noch vorhanden sein werden.
Mehlwurmchips Krupuk
In siedendem Öl werden sie innert weniger Sekunden auf das Mehrfache ihrer Grösse aufgehen.
Die Chips, originalgetreu aus Shrimps und Gewürzen, stammen aus Indonesien.
Interview D. Bisten: Pionierarbeit
Impressum
Grafik: Miriam Schlegel
Foto, Video, Schnitt und Text: Denise Ferrarese
© GastroJournal GastroSuisse
Blumenfeldstrasse 20, 8046 Zürich
Kontakt: denise.ferrarese@gastrosuisse.ch